Hochgeschwindigkeits-Fördersysteme

In einem Hochgeschwindigkeits-Fördersystem werden Waren mit Fördergeschwindigkeiten über 10 m/s transportiert. Daraus ergibt sich beim Transport von Waren ein entscheidender Vorteil hinsichtlich der Durchlaufzeiten im Vergleich zu konventionellen Fördertechniken, wie etwa Rollenbahnen, Kettenförderern oder Elektrohängebahnen, welche Fördergeschwindigkeiten zwischen 3 und 5 m/s erreichen. Dies spielt vor allem bei größeren Förderdistanzen eine entscheidende Rolle für die Logistikprozesse.

Anwendungsbereiche
Die notwendige Verkettung unterschiedlicher Produktions- und Lagerstätten bei der Herstellung von Waren ist Kernaufgabe der Intralogistik. Dabei kann in der Praxis nicht immer dem Grundsatz einer ‚Logistik der kurzen Wege‘ entsprochen werden. Historisch gewachsene und umbaute Produktionsstrukturen, Mangel an Baufläche, ein starrer Baukörper, wachstumsbedingte Expansionswünsche und sich stetig wandelnden Fertigungsstrukturen sind hierfür aus der Praxis bekannte Gründe. Das Resultat ist häufig eine räumliche Trennung der bei der Fertigung zu durchlaufenden Produktions- und Lagerstätten, die wiederum einen aufwendigen Materialtransport zwischen den Ausliefer- (Quellen) und Empfangspunkten (Senken) auch über Outdoor-Bereiche nach sich zieht. Im einfachen Fall befinden sich die einzelnen Produktions- und Lagerstättennoch auf einem zusammenhängenden Werksgelände. Zusätzliche Herausforderungen entstehen, wenn zwischen den einzelnen Quellen und Senken öffentlicher Raum wie z. B. Straßen oder natürliche Hindernisse wie beispielsweise Flüsse überwunden werden müssen.
Klassische am Markt verfügbare Fördertechnik wie beispielsweise Rollen-, Tragketten-, und Bandförderer oder Elektrohängebahnen sind für einen Warentransport im Außenbereich nur bedingt geeignet und scheiden für den werksübergreifenden Materialtransport aus. Des Weiteren ist ihr Einsatz aufgrund der niedrigen Fördergeschwindigkeiten von i.d.R. unter  5 km/h für einen Transport über mittlere bis große Distanzen nicht zielführend, da sich so sehr lange Durchlaufzeiten ergeben. In der Praxis kommen deshalb vornehmlich Routenzüge oder bei größeren Distanzen Lkw-Shuttle-Verkehre zum Einsatz. Diese bringen jedoch diverse Nachteile mit sich. Zum einen ist ein enormer Handhabungsaufwand notwendig, da die Be- und Entladung sowie die Ladungssicherung, vor allem bei Lkw-Transporten, zeit- und personalintensiv sind. Auch sind sie nur bei größeren Losen rentabel einsetzbar, was wiederum große Pufferlager zwischen Quelle und Senke notwendig macht. Dies erhöht den Flächenbedarf und senkt die Durchlaufzeit der Güter durch lange Liegezeiten.
Zudem ist die durchschnittliche Transportgeschwindigkeit bei Lkw und Zugschleppern niedrig und wird von vielen Unwägbarkeiten des Verkehrs beeinflusst, vor allem wenn der Transport über öffentliche Straßen erfolgt. Mit Staubildung, Streckensperrungen, Unfällen und mittlerweile auch Fahrverboten aufgrund von Umweltschutzmaßnahmen zur Luftreinhaltung ist zu rechnen. Dies führt zu einer weiteren Steigerung der Durchlaufzeit und erhöht zudem ihre Varianz, was wiederum größere Sicherheitsbestände in den Pufferlagern notwendig macht.
Im Weiteren ist speziell bei einem Lkw-Shuttle-Verkehr die Durchdringung der Produktions- und Lagerstrukturen mangelhaft. Der Materialtransport erfolgt lediglich von Warenausgang zu Wareneingang. Die Warenbereitstellung, sowie die sich nach dem Transportvorgang anschließende Verteilung in die Tiefe erfordern weitere fördertechnische Strukturen und logistische Aufwendungen. Vor allem bei einem vertikalen Materialfluss der sich über mehrere Etagen und Ebenen zieht, sind nachgelagerte Vertikalförderer unumgänglich.
Abschließend ist der enorme Flächenverbrauch durch die bereitzustellenden Verkehrswege zu bedenken, der bei Wegfall anderweitig genutzt werden könnte, beziehungsweise bei der Planung neuer Produktionsstandorte nicht berücksichtigt werden muss.


Transportsystem (Beutler Transportsysteme GmbH)
Antriebssystem von Spike®Transport (IFT Universität Stuttgart)

Beispiel Spike®Transport von der Beutler Transport Systeme GmbH
Bei Spike®Transport handelt es sich um ein gemeinsam von der Beutler Transportsysteme GmbH und dem Institut für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart entwickeltes  High-Speed-Fördersystem  für mittlere bis große Distanzen von wenigen hundert Metern bis zu mehreren Kilometern Länge. Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 60 km/h sind geplant. Die sich für Anwender ergebenden Verbesserungspotentiale liegen dabei in der Senkung der Durchlaufzeiten, der Bestände, des Handhabungsaufwands und des Flächenbedarfs und führen damit zu einer Steigerung der Produktivität und Wirtschaftlichkeit der Industriestandorte. Durch die Verlagerung des Materialtransports auf eine eigenständige Trasse, die ggf. in die Höhe ausweichen kann, um den Flächenverbrauch weiter zu minimieren, bietet das System für die Allgemeinheit Vorteile durch die Reduktion des Straßenverkehrs und die damit verbundenen Entlastungen für Mensch und Umwelt.
Grundlage des Spike®Transport-Systems stellt die Antriebstechnik dar. Es wurde eine flexible Zahnstange entwickelt, die entlang der Schiene befestigt ist und durch die Umsetzung als flexible Kette in der Lage ist dem verwundenen Schienenverlauf zu folgen, was bei bisher bekannten Zahnstangensystemen nicht möglich war. Ein entsprechendes Ritzel, das in den Schienenfahrzeugen gelagert ist und durch eine E-Maschine getrieben wird greift in diese Zahnkette ein und sorgt damit für den nötigen Vorschub bzw. das Verzögern. Durch diese Antriebstechnik sind die großen Fördergeschwindigkeiten und die Steigfähigkeit des Systems möglich, so dass verschiedene  Höhenniveaus ohne separate Fördertechnik wie etwa Heber angefahren werden können.

Verfasser
Markus Schröppel
Institut für Fördertechnik und Logistik
Universität Stuttgart

Sachstand
Februar 2019
Im Herbst 2018 hielten die I.N.Fachbeiräte ‚Wissenschaft‘ und ‚Wirtschaft‘ Hochgeschwindigkeits-Fördersysteme für eine interessante Entwicklung, welche sich jedoch erst in mehreren Jahren in der Intralogistik etablieren dürfte.